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Schmerz

Manchmal ist sie schon um 8 Uhr da, morgens hat sie nur wenig Zeit, aber es reicht, um ihrer Mutter über die Hand zu streicheln, nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist, ob die Schmerzen erträglich sind. Manuela Fröhmel sieht ihre Mutter zärtlich an. „Sie schläft, das ist ein gutes Zeichen. Dann haben die Schmerzpflaster geholfen, jedenfalls für die nächsten Stunden.“

Manuelas Mutter hat Leberkrebs im Endstadium, Metastasen im Körper. Bis vor Kurzem hat Manuela sie noch zu Hause gepflegt, jetzt, in den letzten Tagen vor dem Tod, ist die 74-jährige Elisabeth im Hospiz. „Alle kümmern sich sehr liebevoll um meine Mutter“, ist Manuela erleichtert. Das Schlimmste seien die Schmerzen gewesen. „Es ist sehr schwer, einen Menschen so leiden zu sehen.“

Die Palliativmedizin im Hospiz hilft, sie lindert die Schmerzen und auch die anderen belastenden Symptome, wie Übelkeit und Erbrechen und Atemnot. Wunden und Lymphödeme werden behandelt, Juckreiz oder Unruhe gestillt. Das unerträgliche Leid gelindert. Nicht Heilung steht hier im Vordergrund, sondern ein Sterben in Würde. „Es wird nichts mehr getan, was das Leben verlängert“, sagt Manuela. Es gehe um die Lebensqualität auf diesem letzten Stück der Reise.

Es hatte lange gedauert, bis Manuela sich an den Gedanken gewöhnen konnte, dass es keine Chance auf Heilung gibt. Am Bett zu sitzen und die Hand zu halten ist alles, was sie noch tun kann. Elisabeth stöhnt im Schlaf, sie wälzt sich herum, öffnet die Augen. „Durst“, flüstert sie, und Elisabeth führt die Schnabeltasse an den Mund. „Es geht wieder los“, sagt die alte Dame noch, bevor sie sich müde zurückfallen lässt. „Es geht wieder los“ heißt: „Die Schmerzen kommen wieder.“ In Schüben fallen sie über Elisabeth her.

„Es ist einfacher, seit wir wissen, dass der Schmerz gelindert werden kann“, sagt Manuela. Am Bett zu stehen und hilflos zuzusehen sei furchtbar. „Zu Hause ist das oft unerträglich gewesen. Meine Mutter hat geschrien, um Hilfe gefleht, weil sie es nicht mehr aushielt“, erzählt die 50-Jährige und streicht sich über die Stirn. „Auch ich habe oft gedacht, ich kann nicht mehr.“

Die Medikamente helfen, aber sie machen auch müde und den Verstand träge. „Manchmal ist meine Mutter dann sehr durcheinander, sieht Dinge, die nicht da sind, hat Angst.“ In den klaren Momenten sprechen die beiden miteinander. Elisabeth ist dankbar für die Begleitung, sie ist froh, dass ihre Tochter an ihrer Seite ist und dass sie um Hilfe bitten kann, wenn die Schmerzen unerträglich werden.

„Wir sprechen auch über den Tod und unseren Glauben“, sagt Manuela. Wenn die Zweifel und Ängste zu groß werden, sucht sie Trost bei Gott. Lange hat sie mit der Pfarrerin gesprochen, zu Hause zündet sie Kerzen an und betet. „Meine Mutter ist da viel stärker“, sagt Manuela. „Manchmal tröstet sie mich sogar, obwohl sie krank ist und Schmerzen hat.“
Elisabeth hat ihren Frieden gefunden, hat sich vorbereitet auf den Tod. Leicht drückt sie die Hand ihrer Tochter. Dankbar lächelt sie. „Ich bin nicht allein, Gott ist bei mir.“ Manuela weint. „Für den Schmerz in meiner Brust habe ich noch keine Medizin gefunden.“ Aber der Glaube schenkt auch ihr Kraft.

Britta Jagusch

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© Peter Maszlen / Fotalia.com

Christus spricht: Ich war tot,
und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit
und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

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